Hier wird das Logo des Vereins gezeigt
Gesellschaft für Familienkunde
im Kreis Hoya e.V.

Hoya Dampfschifffahrt 1836

Ein erstes Dampfschiff auf der Weser.

Statt, wie kontraktlich versprochen, im Oktober vorigen Jahres, langte das Dampfschiff im Februar d. J. glücklich auf der Weser an. Das Schiff legte die Fahrt von Bremerhaven bis hier in längerer Zeit zurück, als man es hier gewohnt war, bei den hiesigen weit schwerer gebauten und weit tiefergehenden Dampfschiffen zu sehen. Was Wunder daher, daß man damals bedenklich die Achseln zuckte, und einige bescheidene Zweifel nicht verbarg, als der Herr Erbauer versicherte, daß Schiff würde, ohne zu schleppen, in 14 Stunden nach Minden fahren, in welchem Glauben sich denn auch verschiedene Passagiere zur Mitfahrt anschickten , die aber theilweise schon in Hoya das Schiff überdrüssig verließen. Statt 14 Stunden dauerte die Fahrt 39 Stunden , oder circa 3 Tage, und nun ergab sich, daß der Herr Erbauer den Strom so sehr flüchtig untersucht hatte, daß er weder die Länge desselben zwischen Minden und Bremen, wie die Große des Gefälles gekannt hatte.

Die Kommission der Sachverständigen trat einige Tage nach Ankunft des Bootes zusammen, um die kontraktlichen Probefahrten mit zu machen, mußte aber sich gedulden, bis die Fahrt nach Minden beendigt war, welche die Erbauer vorgenommen hatten, ohne die Vereinigung der Kommission abzuwarten. Man kam nun nach manchem Hin- und Herreden überein, eine Probefahrt statt mit zwei Schleppfahrzeugen à 25 Lasten, mit einem größeren Weserfahrzeuge, dem Herrn G. Rolff gehörend , beladen mit circa 47 Last Gütern, im Beisein der Sachverständigen, vorzunehmen. Das Wasser stieg inzwischen in der Weser, und die stürmische Witterung gestattete nur, das erwähnte Frachtschiff bis Riede zu schleppen, und mußte man den Versuch, eine solche Fahrt nach Minden zu machen, bis zu günstigerem Wasserstande aussetzen. Die Weser schwoll nun zu einer solchen Höhe an, daß an die wirklichen Probefahrten nach Minden nicht zu denken war, weshalb sich die Kommission auflöste, um wieder zusammen zu kommen , sobald niedrigerer Wasserstand eingetreten sei, und die Erbauer erklärten, die kontraktlichen Probefahrten machen zu wollen. In der Zwischenzeit bugsirte das Dampfschiff mit Genehmigung des Ausschusses mehrere Frachtschiffe, nach Hoya und zur Aller bestimmt, zur vollen Zufriedenheit bis an die Leinpfade, wobei indessen noch zu bemerken ist, daß die Güter jener Frachtschiffe nicht unter Assekuranz bei der Ober-Weser-Versicherungs-Anstalt gingen. Hier muß ich einschalten, daß bei der regelmäßigen Ober-Weser-Schifffahrt nach Minden und weiter alle Güter unter Assekuranz verladen werden, und die Schiffer nicht anders von der bisher üblichen Fahrweise abweichen dürfen, als mit Genehmigung der Versicherungs-Anstalt, und mußte daher die Genehmigung des Bugsirens erst hier und von der Versammlung der Akzionäre dieser Versicherungs-Anstalt in Münden eingeholt werden, welche auch sogleich ertheilt wurde.

Während dieses geschah, proponirte der hiesige Ausschuß des Akzien-Vereins der Dampfschifffahrt, um Zeit zu ersparen, und den Herrn Harkort (als Vertreter der Herren Westphal Strack & Komp.) hier nicht zu lange aufzuhalten, zwei Schleppfahrzeuze mit Mauersteinen oder Wasserfässern zu beladen, welches inzwischen von genanntem Herrn abgelehnt wurde. Später bot man demselben Güter zu dieser Probefahrt an, allein Herr Harkort erklärte nun, die weiteren kontraktlichen Probefahrten nicht einmal versuchen zu wollen, weil das Ergebniß der bisherigen Fahrten schon hinlänglich bewiesen habe, daß die kontraktlichen Fahrten unausführbar seien, aus welchem Grunde und aus keinem anderen die Kommission der Sachverständigen nicht wieder zusammen getreten ist. Da das Protokoll der Sachverständigen , aus eben erwähntem Grunde, nicht beendet worden ist , so liegt noch kein entscheidendes Urtheil über Schi? und Maschine vor; mir ist inzwischen über die Bauart des Schiffes wie der Maschine kein Tadel bekannt geworden, vielmehr habe ich nur Gutes darüber vernommen, obgleich man hie und da den Zweifel äußert, ob die Maschine auch wirklich 40 Pferde - Kraft entwickele, oder ob eine solche Kraft hinreiche zur genügenden Ueberwindung des starken Stromgefälles.

Ist Letzeres nicht der Fall, so lastet die Schuld offenbar auf den Erbauern, welche wissen mußten, wie groß der Kraftaufwand sein müsse, um die Schwierigkeit des Weserstromes zu besiegen, welche besser zu kennen, als Andere, sie aufs Bestimmteste beständig behauptet haben. Schiff und Maschine sind, ich wiederhole es, nicht von hier aus bestellt, sondern der Kontrakt war bereits abgeschlossen und das Schiff im Bau begriffen, als der Prospektus hier vorgelegt wurde. Die hiesigerseits dagegen gemachten Ausstellungen und erhobenen Zweifel wurden spöttisch abgewiesen. Die kontraktlich eingegangenen Verpflichtungen der Erbauer, waren daher:
1) ein gutes Dampfschiff zu liefern,
2) mit demselben die kontraktlichen Probefahrten zu machen, deren Ausführbarfeit wegen der hier bekannten Eigenthümlichkeit der Weser stark in Zweifel gezogen wurde.
Daß die Erbauer Ersteres halten würden, hat hier Niemand bezweifelt, und bin auch der Meinung, daß sie selbes ehrenvoll gelöset haben. -- Das Zweite zu thun, haben sie nicht einmal versucht, weil sie sich bald überzeugten , die Weser nicht genau genug gekannt zu haben, und es besser gewesen wäre, nicht unbeachtet zu lassen, was ihnen hier so vielfach gesagt worden ist.
Die Gründe der Nichtannahme des Dampfschiffes "Friedrich Wilhelm III." bestehen daher nicht in einem Tadel des Schiffes und der Maschine, worüber auch kein finaler Ausspruch der Sachverständigen vorliegt, sondern darin, daß die Erbauer die Haupt-Aufgabe, welche sie, trotz aller Einreden, zu lösen sich anheischig gemacht hatten, nicht zu erfüllen vermochten: die Ausführung einer regelmäßigen Dampfschifffahrt zwischen Minden und Bremen.

Während einer Zeit im Jahr , bei mittelhohem Wasserstande, kann allerdings ein Dampfschi?, ohne zu schleppen, von hier nach Minden fahren; der "Friedrich Wilhelm III." würde dazu etwa 3 Tage gebrauchen. Zu Lande ist der Weg in 14 Stunden zurückzulegen , daher auf Personenfahrt zu Berg wohl schwerlich zu rechnen, Zu Thal kann die Fahrt von Minden nach Bremen bei langen Tagen wohl in einem Tage geschehen , wobei vielleicht Personen -Transport Statt finden kann, aber gewiß nicht in dem Maße um die Kosten zu senken, da keine Regelmäßigkeit in der Fahrt erreichbar sein würde. -
Für Güter bedarf es keiner großen Rechenkunst, um auszufinden, daß ein Dampfschiff, welches 3 Last Kohlen, also dem Gewichte nach 9 Last, am Bord hat , und daher nur 16 Last Güter per Woche fortschaffen kann, nicht mit der Segelfahrt zu konkurriren im Stande ist, bei welcher die reine Fracht etwa 10 Ggr. Preuß. Kourant per Schiffpfund von 3 Ztrn. bis Minden ist, und bei welcher die Fahrt im gewöhnlichen Laufe 8 bis 9 Tage dauert, und wenn es Eile hat, in 5 Tagen durch Pferdezug zurückgelegt werden kann. Uebersieht man nun nicht, daß dergleichen Dampfschifffahrten doch nur eine kurze Zeit im Jahre Statt haben würden, während welcher die Segelfahrt dann gerade auch am besten geht: so frägt es sich, was denn eigentlich ein Dampfschiff bei der Fahrt zwischen Bremen und Minden auf diese Weise für Nutzen schaffen könne? -

Herr Harkort führt dagegen an, daß bei hohem Wasserstande, wenn die Leinpfade überschwemmt sind, das Schiff durch Bugsiren gute Dienste leisten könne. Dieses hat noch Niemand hier in Abrede gestellt, es liegt aber auf der Hand, daß ein Dampfschiff , welches nur allein während weniger Wochen Frachtschiffe eine Strecke von 2 bis 8 Meilen nach Maßgabe der Wasserhöhe schleppt, keine Einnahme machen kann, die in irgend einem Verhältnisse zu den Kosten und Auslagen steht, welches die Ursache ist, warum ein solches Bugsirboot nicht schon lange auf der Weser in Gang gesetzt worden ist. Zweck der Akzien- Gesellschaft war laut Prospektus, Dampfschifffahrt zwischen Bremen und Minden, nicht eine Bugsirfahrt für einige Wochen im Jahre bei Bremen. Letztere würde eine ganz andere Gesellschaft erheischen.
Wenn nun unter so bewandten Umständen man in Minden und Bremen sich zur Uebernahme des Dampfschiffes "Friedrich Wilhelm III." nicht hat verstehen wollen, so nennt Herr Harkort das: "Mangel an Gemeinsinn." -
Was nun den Punkt betrifft, daß für die Weser wenig zur Verbesserung des Flußbettes geschehen, so ist solches allerdings für den Weserhandel sehr zu beklagen, kann aber füglich nicht Bremen zur Last gelegt werden, da bekanntlich die Weser durch vieler Herren Länder fließt, die sich von Bremen keine Vorschriften machen lassen würden; es steht inzwischen zu erwarten, daß nun auch in diesem Punkte die Uferstaaten gemeinsam diejenigen Verbesserungen veranlassen werden , welche thunlich sind. -

Ich glaube jetzt die Ursachen verständlich dargelegt zu haben, weshalb das Dampfschi? "Friedrich Wilbelm III." nicht angenommen worden ist, und denke ich, es werde nun einleuchtend sein, daß die Erbauer desselben unrecht thun, sich über Bremen zu beklagen, denn sie haben, freiwillig und ohne dazu von Bremen im mindesten veranlaßt worden zu sein, ein Unternehmen begonnen, dessen Unausführbarkeit ihnen oft genug in dürren Worten schon vor einem Jahre vorgehalten worden ist. -
Ich wünsche nicht, daß mein Name als Einsender dieses öffentlich genannt werde, ermächtige aber die verehrte Redakzion dieser Blätter, der Herren Erbauern des Dampfschifes meinen Namen zu nennen, wenn dieselben ihn zu erfahren wünschen sollten, damit selbe wissen, daß diese Zeilen nicht von einem Widersacher herrühren , sondern von Jemanden, der ein warmer Fürsprecher ihres Unternehmens gewesen , der mit der ganzen Sachlage genau bekannt ist, und der gegen sie die freundschaftlichsten Gesinnungen hegt, und nur durch ihre die Ehre Bremens antastenden Veröffentlichungen sich verpflichtet hält, jetzt ein Wort der Wahrheit öffentlich auszusprechen.
Bremen, 1. Juni 1836.
Ein Bremer Kaufmann.